Vorwort

Kreuzstich ist eine Sticktechnik, die zum Sticken, einer sehr alten kunsthandwerklichen Handarbeit, gehört, die im allgemeinen heute in Vergessenheit geraten ist oder als altmodisch beurteilt wird. Im Gegensatz zu dieser landläufigen Meinung sticke ich gerne und halte meine Produkte auch nicht für omahaft und ungeeignet für den Zeitgeschmack.

Meine Liebe zum Sticken liegt vermutlich in der Familie – jedenfalls war meine Mutter eine leidenschaftliche Stickerin und bei den entsprechenden Haushaltsauflösungen stellte sich heraus, dass nicht nur sie, sondern auch meine Großmutter und ihre Schwestern gern und viel stickten, wovon eine erhebliche Zahl an Tischdecken zeugt, die regelmäßig in meinem Haushalt benutzt werden. Ich bin noch in der Zeit aufgewachsen, in der es selbstverständlich war, dass eine Tochter mit einer Mitgift ausgestattet wurde. Damals habe ich etwas (gelinde ausgedrückt) zweifelnd auf Mutters abendliche Stickarbeiten geschaut, zumal doch von vornherein klar war, dass ich einen Beruf erlernen und in diesem auch tätig sein und bleiben wollte. Als ich dann verheiratet (und weiterhin berufstätig) war, habe ich schnell zu schätzen gelernt, dass ich nur in den Schrank greifen und ohne viel Überlegen eine Tischdecke herausholen konnte, die zum gewählten Porzellan passte.


Nachdem ich in den Ruhestand eingetreten war, habe ich auch angefangen zu sticken. Tischdecken hatte ich allerdings genug. Von daher habe ich mich auf Bilder im gezählten Kreuzstich spezialisiert. Wenn man das hört, denkt man erst recht an altmodische Bilder mit den sprichwörtlichen röhrenden Hirschen. Die sind allerdings weit von modernen Motiven und Mustern entfernt, was überdeutlich zu erkennen war, als ich mich nach Stickvorlagen umsah. Bei der Suche nach Bildern, die ich auch wirklich aufhängen würde, stieß ich nicht nur auf den Wandel der Motive und der bevorzugten Sticktechniken im Laufe der Zeit, sondern entdeckte auch Motiv- und Stilunterschiede zwischen verschiedenen Ländern. Damit war die Neugierde auf die Geschichte des Kreuzstichs geweckt, und ich begann zu recherchieren. In Blogs und auf anderen Seiten fand ich häufig die Behauptung, der Kreuzstich sei die älteste Form der Stickerei. Das erwies sich schnell als falsch, je mehr ich fachkundige wissenschaftliche Literatur hinzuzog. So wurde aus der Geschichte des Kreuzstichs in Teilen eine Geschichte des Stickens generell, nämlich für die Zeit, bis der Kreuzstich als Sticktechnik etabliert war.

Meine Geschichte des Kreuzstichs erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit. Verschiedene Umstände hindern mich daran, selbst Überreste gefundener bestickter Textilien oder erhaltene Stickereien in Ausstellungen in Augenschein zu nehmen, zumal mir die Kenntnisse und die Möglichkeiten von Textilarchäologen fehlen. Somit war ich auf entsprechende Veröffentlichungen und generell auf Sekundärliteratur angewiesen, die auf dem Land auch nicht so leicht zu beschaffen ist wie in einer Stadt mit Universitätsbibliothek und umfassender Fernleihe. Unter diesen Bedingungen habe ich mich auf die großen Linien der Geschichte des Kreuzstichs beschränkt. Für weitere Hinweise und Literaturangaben bin ich immer dankbar. Ich habe für diese Arbeit die Zitierweise benutzt, die ich zur Zeit meines Studiums erlernt habe. Internetquellen, die es zur damaligen Zeit noch lange nicht gab, habe ich analog zu den Regeln der 60er Jahre zitiert. Insgesamt kommt es meiner Meinung nach nicht auf die Zitiertechnik an, sondern auf die Kennzeichnung übernommener Aussagen und deren korrekte Auffindbarkeit.
Die einzelnen Kapitel der 2021 begonnenen Geschichte des Kreuzstichs werden je nach Fertigstellung hinzugefügt.