Stickerei im Hoch- und Spätmittelalter

 

 

Um/nach 957 entstanden ist die sogenannte Kriegsfahne der Königin Gerberga (913-968), einer Schwester Kaiser Ottos I.  Sie war in erster Ehe mit Herzog Giselbert von Lotharingen verheiratet. Die Stickerei zeigt in der Mitte Christus mit einem Kreuzstab. Zu seinen Füßen ist eine Gestalt abgebildet, die der gestickte Text als „Ragenardus Comes“ bezeichnet. Eine genauere Datierung der Stickerei ist abhängig von der Identifikation dieses Ragenardus. Eine Deutung identifiziert ihn als den Neffen der Gerberga, Graf Reginar III. (+973). Gerberga war in erster Ehe mit Herzog Giselbert von Lotharingen verheiratet. Ab 955 versuchte ihr Neffe Reginar die herzogliche Stellung in Lotharingen wiederzuerlangen, wodurch er nicht nur den Bruder Kaiser Ottos I., Erzbischof Bruno von Köln, der nach Giselberts Tod die Herzogswürde innehatte, gegen sich aufbrachte, sondern auch den König Lothar von Frankreich, Sohn Gerbergas aus ihrer zweiten Ehe mit Ludwig IV., König des Westfrankenreiches. Die kriegerische Auseinandersetzung wurde von 955 bis 957 geführt, wobei Reginar eine vernichtende Niederlage erlitt und 958 durch Otto I. nach Böhmen verbannt wurde[1]. Folgt man dieser Deutung, so wäre die Stickerei zwischen 955 und 957 entstanden, da die Fahne als  Kriegsfahne während der kriegerischen Auseinandersetzung gedient hätte. Eine rückblickende Dokumentation des Sieges, wie Böse für möglich hält[2], scheint eher unwahrscheinlich, da der zu Füßen Christi kniende Reginar noch mit seinem Schwert bekleidet dargestellt wird. Da er das Schwert nach seiner Niederlage hätte ablegen müssen, könnte die Fahne als um 956 entstanden datiert werden, als sich Reginars Position in der Auseinandersetzung bereits verschlechtert hatte, so dass die Unterwerfungshaltung seine drohende Niederlage zeigen könnte und die Fahne seine Gegner zu verstärken Anstrengungen motivieren sollte.

 

Genau die Darstellung des sich Christus unterwerfenden Grafen  mit Schwert ist es, die Fraser McNair zu einer anderen Identifikation und damit Deutung der Fahne veranlasst. Er hält den Grafen für Ragenold (Rainald) de Roucy, der in den späten 950er Jahren gemeinsam mit Gerberga und Bruno von Köln in militärische Expeditionen nach Burgund unternahm. Gestützt durch die Worte des Psalms 144, die auf den Rand der Fahne gestickt sind, geht McNair davon aus, dass die Fahne den erfolgreichen Krieger Ragenold darstellt, der sie als Geschenk erhalten haben könnte[3].

 

Wiederum eine andere Erklärung findet man bei Alexandra Gajewskia und Stefanie Seeberg, die die Figur als den oben genannten Reginar sehen. Seine Darstellung zeige die „traditional humble attitude of worship adopted by patrons on donor images“. Angesichts des feindseligen Verhältnisses zwischen Reginar und Gerberga scheint es jedoch eher unwahrscheinlich, dass Gerberga die Fahne im Auftrag Reginars gestickt haben könnte.

 

Zu welcher Deutung auch immer man neigt, so scheint die Stickerei auf der Fahne Zeugnis eines konkreten historischen Ereignisses, das zwischen 955 und 957 stattgefunden hat, zu sein, so dass die Datierung einleuchtend ist. Auf jeden Fall ist die Entstehung der Stickerei  auf den Zeitraum von 955 bis 968 zu begrenzen, da der gestickte Text bemerkenswerterweise ausdrücklich die Herstellerin der Stickerei angibt, wenn es heißt „Gerberga me fecit“. Die Stickerei ist in Spaltstich und Goldstickerei  in Anlegetechnik ausgeführt[4].

 

 

Kriegsfahne der Gerberga 

 

Für die Stickereien des 11. Jahrhunderts sollen hier insbesondere die Textilien des Bamberger Domschatzes genannt werden. Es handelt sich dabei um verschiedene Objekte, die Kaiser
Heinrich II. (*973/978 + 1024, Kaiser 1002-1024) und seiner Gemahlin Kunigunde (*975 +1033) als Auftraggeber zugeschrieben werden und allesamt während der Herrschaftszeit
Heinrichs II. entstanden zu sein scheinen:
 

 

  • die Tunika Heinrichs II., die manchmal auch Tunika Kunigundes genannt wird
  • der blaue Kunigundenmantel, der das älteste erhaltene liturgische Gewand mit einem flächenfüllenden Bildprogramm ist
  • der Sternenmantel Heinrichs II.
  • der weiße Kunigundenmantel
  • das Rationale

Alle diese Funde sind hinsichtlich der Stickereien, des flächenfüllenden Bildprogramms und dessen Bedeutung sowie der Veränderung der Textilien durch die Jahrhunderte ausführlich beschrieben[5]. Erwähnenswert sind weiter die Stola und das Zingulum Papst Clemens II., der ebenfalls im Bamberger Dom bestattet wurde. Sie stammen von 1046/47[6]. Die Stickereien auf den genannten Gewändern sind allesamt in Goldstickerei  in Anlegetechnik und in Spaltstich gehalten.

 

 

 

Eine weltliche Stickerei, die – wie die Kriegsfahne der Gerberga – sich auf ein konkretes historisches Ereignis bezieht, ist der berühmte Teppich von Bayeux. Auf neun aneinandergenähten Leinenbahnen von ca. 50 cm Höhe wird auf einer Länge von über 70 m die Geschichte der Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer im Jahre 1066 dargestellt. In zahlreichen Einzelszenen, die durch begleitende gestickte Texte erläutert werden, wird die Entwicklung von der Entscheidung des englischen Königs Edwards des Bekenners, den normannischen Herzog Wilhelm, dessen straffe Organisation seines Herzogtums er bewunderte,  1064 zu seinem Nachfolger zu ernennen, bis zu dessen Sieg  über seinen Mitbewerber Harold Godwinson in der Schlacht von Hastings 1066 dargestellt. Die fortlaufende Darstellung wird oben und unten von Randborten eingefasst, die Tiere, Pflanzen, Fabelszenen und Fabeltiere und auch die Handlung kommentierende Szenen wie landwirtschaftliche Tätigkeiten oder Einzelheiten einer Schlacht – Verwundete, Tote, Plünderungen etc. - zeigen[7].  Die Aufteilung der Stickerei  steht in der Tradition der Darstellung weltlicher Ereignisse in der Kunst der Wikinger, wie Fragmente in den Funden eines Wikingerschiffsgrabes in Oseberg aus dem 8. oder 9. Jahrhundert zeigen[8].

Im Gegensatz zu früheren Annahmen, die davon ausgingen, die Gemahlin Wilhelms des Eroberers, Mathilde, habe den Teppich anfertigen lassen, sieht die Forschung heute als Auftraggeber  Odo, Bischof  von Bayeux, der ein Halbbruder Wilhelms des Eroberers war. Von 1049 bis 1097 war er Bischof von Bayeux; nach der Eroberung Englands war er bis 1088 auch Earl of Kent. „Diese Sichtweise wird gestützt durch die Tatsache, dass Odo in vier Szenen der Stickerei und dreimal in den Inschriften erwähnt wird […] und drei der neben den Hauptakteuren in den Inschriften benannten Personen, Wadard, Vital und Turold, die in keiner anderen zeitgenössischen Quelle der Schlacht bei Hastings genannt werden, […]  sich auf Odo [beziehen][9]. Folgt man dieser Zuordnung des Auftraggebers, so kann man die Fertigstellung auf spätestens 1077 datieren, da anzunehmen ist, dass der Bildteppich zur Einweihung des Doms von Bayeux präsentiert wurde.

Hinsichtlich des Ortes, an dem die Stickerei angefertigt wurde, variieren die Annahmen je nach der Nationalität der Forscher. Während französische Forscher einen französischen Ursprung annahmen, gingen englische Forscher von der Herstellung in England aus. Mittlerweile geht man allgemein von englischer Provenienz aus, wobei drei Gründe als die wesentlichen genannt werden: „Zu dieser Zeit [gemeint: als Odo Graf von Kent war] gab es eine angesehene Schule für Stickerei in Canterbury […] und Stil und Technik des Teppichs deuten auf diese Schule hin. Außerdem sind Details in einer Reihe von Motiven deutlich von Illustrationen in angelsächsischen Handschriften aus dem 10. und 11. Jahrhundert inspiriert“[10] und orthographische Formen von Eigennamen in den lateinischen Texten seien englisch geprägt[11].

 

Die Stickerei wurde mit Wollgarn in zehn Farben in Überfangarbeit ausgeführt; Konturen und Buchstaben sind im Stielstich gestickt. Aufgrund der detaillierten Darstellung von Schlachtereignissen geht man davon aus, dass die Motive des gesamten Teppichs von einem einzelnen Mann gezeichnet – nicht vorgezeichnet – wurden[12]. Die Ausführung ist wahrscheinlich von Frauen übernommen wurden dergestalt, dass mehrere Frauen gleichzeitig an der Stickerei arbeiteten, worauf hindeutet, dass an einigen Stellen die Motive etwas „gequetscht“ erscheinen, weil der Platz bereits von anderen Stickerinnen, die an anderen Szenen arbeiteten, begrenzt worden war. Zumal wäre es einer Einzelperson wohl nicht möglich gewesen, eine solch umfangreiche Stickerei innerhalb von knapp elf Jahren fertigzustellen, vorausgesetzt man folgt der Datierung der Fertigstellung auf 1077.

 

Der sogenannte Bayeux-Stich

 

Darstellung von Tieren am oberen Rand und Darstellung von landwirtschaftlichen Tätigkeiten am unteren Rand

 

 

Odo von Bayeux in der Schlacht von Hastings

 

Der Teppich von Bayeux zeigt bereits die außergewöhnlich hochstehende Qualität der englischen Stickerei, die dann ab dem 13. Jahrhundert unter dem Namen opus anglicanum bekannt und in ganz Europa geschätzt und begehrt wurde. Der Terminus opus anglicanum ist wohl nicht in England selbst entstanden, sondern stammt aus päpstlichen und anderen europäischen Texten[13].  Nichtsdestotrotz bezeichnet der Terminus die von ca. 1200-1350 dauernde Phase der „technical, artistic and economic development of the medieval embroidery trade in England“[14]

 

Im Gegensatz zu der Wollstickerei des Teppichs von Bayeux ist opus anglicanum eine Stickerei mit Seiden-, Gold- und Silberfäden. „Typisch […] sind die plastisch gestickten Gesichter und das markante, wallende Haar der Figuren sowie die feine Schattierung der Kleidung“[15] der Figuren.  Gestickt wurde mit Seide im Spaltstich, wobei  die „einzelnen Reihen […] dabei so eng nebeneinander gestickt [wurden], dass sie optisch miteinander verschmolzen.“[16]  Oft waren die Spaltstiche nur 2 mm klein, besonders in detailreichen Teilen der Stickerei. Für die Schattierungen wurden drei oder mehr Schattierungen einer Farbe benutzt, wobei die  Stickrichtung bedeutsam war für die Erzeugung des fließenden Eindrucks. Metallfäden wurden typischerweise für Heiligenscheine, Umrandungen und den Hintergrund, manchmal auch für Kleidung, benutzt und dabei fast ausschließlich mit versenkter Anlegetechnik verarbeitet. Zum einen schützt diese Technik den Faden, zum anderen erzeugt die versenkte Anlegetechnik einen „beweglichen“ Faden, wodurch die Stickerei fließend wird. Hintergründe wurden oft so gestickt, dass sie ein geometrisches Muster ergaben.[17] Die Lebendigkeit der Stickereien des opus anglicanum führt dazu, dass sie auch als „Nadelmalerei“ bezeichnet wurden.

 

 

Versenkte Anlegetechnik

 

 


 Schuhe aus dem Grab des Erzbischofs Hubert Walter, enstanden 1170-1200

 The Steeple Aston Cope (detail), 1310-40

 The Toledo Cope, 1320-30, England

 

 

Zu ungefähr derselben Zeit, als in England das opus anglicanum seine Blütezeit erlebte, findet man im deutschsprachigen Raum, vor allem im nördlichen Deutschland eine erstaunliche Menge an Weißstickereien. Diese scheinen so typisch für deutsche Stickereien ab dem 12. Jahrhundert[18]  zu sein, dass sie als opus teutonicum bezeichnet werden, wobei allerdings unklar ist, wann und von wem sie mit diesem Begriff belegt wurden.[19] Weißstickerei, manchmal auch Leinenstickerei genannt, ist eine Stickerei mit weißem Leinenfaden, seltener mit weißer Wolle, auf weißem Stickgrund, in der Regel Leinen. In den Anfängen der Weißstickerei wurde sehr sparsam ein farbiger Faden benutzt, um bestimmte besondere Teile der Stickerei, z.B. Heiligenscheine, hervorzuheben. Ab der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts nahm der Gebrauch farbiger Seidenstickfäden zu. Überwiegend wurden die Stickerei in Kettenstich, Gobelinstich, Plattstich und Stielstich ausgeführt. Gelegentlich wurden Umrisslinien auch im Knopflochstich gestickt und für den Hintergrund benutzte man Filetstickerei.[20]  Es wird vermutet, dass die Weißstickerei in Deutschland deswegen sehr verbreitet war, weil Flachs als Rohstoff im Land selbst angebaut werden konnte und damit ein leicht erreichbarer Rohstoff war.[21]

 

Frühe Weißstickereien sind vor allem in der Form von Antependien und Hungertüchern erhalten.[22] Ab dem 14. Jahrhundert nehmen Weißstickereien mit weltlichen Motiven wie Menschen, Tieren sowie heraldischen Elementen zu.[23]

 

Als „das älteste […] und zugleich künstlerisch vollendestete Werk“[24] wird eine Altardecke aus Fulda angesehen, die auf die Zeit um 1180 datiert wird.[25] Vermutlich ist sie „1945 zusammen mit unzähligen anderen textilen Kunstwerken aus dem Besitz des Kunstgewerbemuseums an deren hauptsächlichem Bergungsort, im Schloss Sophienhof in Mecklenburg, verbrannt“[26], so dass auf die Falkes Beschreibung und einige erhaltene Fotos zurückgegriffen werden muss, um Aussagen über die Stickerei zu treffen.  Auf feinem, regelmäßig gewebten Leinengrund wurden die Umrisse mit doppeltem Kettenstich ausgeführt; die Flächen blieben bis auf eine Gloriole am rechten Rand, die Heiligenscheine, Salbgefäße, Rosetten und Tiere in den Eckmedallions frei. Letztere wurden im Klosterstich flächig ausgestickt. Der Klosterstich wurde auch für die Inschrift verwendet.[27]

 

 

Fuldaer Altardecke, um 1180

 

Weißstickereien erweisen sich für die Absicht dieser Arbeit, die Geschichte des Kreuzstichs zu untersuchen, als besonders interessant. Um 1260 wurde im Kloster Heiningen bei Wolfenbüttel ein Antependium hergestellt, das Christus auf dem Erdkreis thronend, umgeben von Maria, Johannes dem Täufer und den zwölf Aposteln zeigt. Der Stickgrund besteht teilweise aus gebleichtem, teilweise aus ungebleichtem Leinen, wodurch farbliche Unterschiede erzeugt werden. Bei den Ornamenten und der Inschrift wurde der Kreuzstich in farbigem Seidengarn verwendet, während für die restlichen Bildelemente die für die Weißstickerei üblichen Sticktechniken zum Einsatz kamen.[28]

 

 

Heininger Antependium, um 1260

 Heininger Antependium (Detail)

 

 

 

Uneinigkeit besteht in der Forschung über die Datierung eines –allerdings farbigen – Antependiums, das zum Dom in Haberstadt gehört(e). Das auf Halbseidenatlas bestickte Antependium ist hier deswegen interessant, weil es gefüttert war und auf dem oberen Rand des Futters mit grüner Seide eine Inschrift eingestickt war. Für diese Inschrift wurde der Kreuzstich benutzt. Das Futter wird auf ca. 1300 oder die 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert, während die Stickerei wohl sicher aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammt.[29]

 

Aus dem Prämonstratensierinnenkloster Altenberg an der Lahn sind vier Altartücher in Weißstickerei erhalten, von denen zwei aus dem 13. Jahrhundert und zwei aus dem 14. Jahrhundert stammen.[30]  Darstellungen der Stücke einschließlich einer detaillierten Beschreibung der verwendeten Sticktechniken sind nur schwer zu finden. Es sieht jedoch so aus, als ob das im Cleveland Museum befindliche Altartuch von ca. 1350 teilweise im Kreuzstich bestickt worden sei, und zwar die umlaufende Zick-Zack-Borte sowie die bogenförmigen Umrahmungen der figürlichen bzw. tierischen Elemente.

 

 

Altartuch Altenberg/Lahn, um 1350

 

Aus dem Kloster Lüne stammt ein Hungertuch, dessen Entstehung auf den Anfang des 14. Jahrhunderts datiert wird. Das Tuch weist an etlichen Stellen Beschädigungen auf, die durch die beim  Gebrauch entstehende Spannung erklärt werden können. Sie sind teilweise ausgebessert worden, wobei auffällt, dass Löcher über dem rechten Fuß bzw. Bein und unter dem linken Arm der vierten Figur von rechts im unteren Teil des Tuches durch Übersticken mit Kreuzstich ausgebessert worden sind.[31] Die Frage, warum man nicht versuchte, die Löcher mit originalgetreuer Sticktechnik auszubessern, muss leider unbeantwortet bleiben.

 

 

Hungertuch aus dem Kloster Lüne, 1. Hälfte des 14. Jhs.

 

Außer Antependien, Altartüchern und Fasten- bzw. Hungertüchern waren auch Lesepulttücher eine häufige Erscheinung in mittelalterlichen Klöstern und Kirchen, dienten sie doch alle dazu, durch die bildliche Darstellung biblische Inhalte, Heiligenlegenden usw. einprägsam vorzustellen. Im späten 14. Jahrhundert wurde für die Wiesenkirche (St. Maria zur Wiese) in Soest eine Lesepultdecke angefertigt[32], deren Ähnlichkeit mit der Weißstickerei auffallend ist. „Auf einen grauen Leinengrund sind mit weißem Leinengarn in unterschiedlichen Sticharten flächendeckend Ornamente und figürliche Darstellungen aufgestickt worden.“[33] Zu den verwendeten Sticktechniken gehört der Kreuzstich, der für die Randborten, inneren Borten und einige Ornamente benutzt wurde.

 

 

Lesepultdecke aus Maria zur Wiese, Soest, 2. Hälfte des 14. Jhs.

 

Wenn auch der Kreuzstich in der  Weißstickerei nicht der überwiegend gebrauchte Stich ist, so ist doch festzustellen, dass er bekannt war und gebraucht wurde. Es erhebt sich die Frage, ob es vor dem 12. Jahrhundert Stickereien im Kreuzstich gegeben hat. Weiter ist es von Interesse, ab wann und auf welche Weise der Kreuzstich zu der Sticktechnik geworden ist, die gegenwärtig als die Sticktechnik schlechthin betrachtet wird. Um diese Fragen zu klären, ist es nötig zu untersuchen, ob die vorhandenen textilen Überreste mit Stickereien repräsentativ sind oder nicht. Dabei kann es durchaus hilfreich sein einzubeziehen, wer Stickereien selbst herstellte bzw. in Auftrag gab sowie wer Aufträge für Stickereien ausführte. Diesen Fragen soll in nächsten „Kapitel“ in einem Exkurs nachgegangen werden.

 



[1] Vgl. Puhle, Matthias/Hasse, Claus-Peter (Hrsg.): Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962 bis 1806. Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters, Dresden 2006, S. 46 und Böse, Kristin: Spürbar und unvergänglich: Zur Visualität, Ikonologie und Medialität von Textilien und textilen Reliquiaren im mittelalterlichen Reliquienkult.- In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 33. Bd. (2006), S. 10

[2] Vgl. Böse, Kristin: ebda.

[3] Vgl. McNair, Fraser: The Kriegsfahne of Queen Gerberga and the Liudolfing Ascendancy in the West.- In:

Kriegsfahne – The Historian's Sketchpad (wordpress.com)

[4] Vgl. Puhle, Matthias/Hasse, Claus-Peter (Hrsg.): a.a.O., S. 46

[5] https://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-CMS-0000000000006531?lang=de, https://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-CMS-0000000000006532?lang=de

https://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-CMS-0000000000006536?lang=de

Der weiße Kunigundenmantel | bavarikon

Der Rechteckmantel Heinrichs II - Tribur.de

Hauptschauseite des Bamberger Rationale, Gesamtansicht | bavarikon

[6] Ott, Stella: Textilfunde in Grüften des Bamberger Doms.- In: Lohwasser, Nelo/Schreg, Rainer (Hrsg.): Kleine Funde, große Geschichten. Archäologische Funde aus dem Bamberger Dom. Begleitheft zur Ausstellung im Historischen Museum Bamberg, Bamberg 2021,  S. 98 f.

[7] Unter Explore the Bayeux Tapestry online - Bayeux Museum findet man eine Darstellung der Stickerei Szene für Szene.

[8] Vgl. Novak, Elfriede: „Der Teppich von Bayeux“:  Ein Dokument textiler Erzählkunst und anglonormannischer Propaganda“, Wien 2012S. 51

[9] Elfriede Novak, a.a.O., S. 40

[10] Rud, Mogens: Der Teppich von Bayeux und die Schlacht bei Hastings 1066, 2. Aufl. Kopenhagen 2008, S. 10

[11] Rud, Mogens:  a.a.O., S. 11

[12] Ebda.

[13] Michael, M.A.: Creating Cultural Identity: Opus Anglicanum and its Place in the History of English Medieval Art.- In: Journal oft he British Archeological Asscociation 170 (2017), S. 30

[14] https://www.vam.ac.uk/articles/about-opus-anglicanum [abgerufen am 3.5.2023]

[15] https://mittelalter.tirol/blog/post/lebendige-stiche-learning-englisch-work [abgerufen am 3.5.2023]

[16] Ebda.

[17] Vgl. http://sidneyeileen.com/artisan-works/embroidery-articles-and-tutorials/basics-of-opus-anglicanum-embroidery/  [abgerufen am 2.5.2023]

[18] Vgl. Stradal, Marianne/Brommer, Ulrike: Mit Nadel und Faden. Kulturgeschichte der klassischen Handarbeiten, Freiburg 1990, S. 34

[19] In einem Verzeichnis der Schenkungen Papst Bonifaz VIII., dessen Pontifikat von 1294-1303 dauerte, heißt es noch „Item 20 tobalias, tam sericeas, quam operis Alemannici“, vgl. Dreger, Moriz: Künstlerische Entwicklung der Weberei und Stickerei innerhalb des europäischen Kulturkreises von der Spätantike bis zum Beginn des XIX. Jahrhunderts mit Ausschluss der Volkskunst, Wien 1904, S. 208. Die Unterscheidung zwischen Seidenarbeiten und deutschen Arbeiten macht aber zumindest deutlich, dass Weißstickerei als typisch deutsche Stickerei gesehen wurde.

[20] Vgl. https://trc-leiden.nl/trc-needles/regional-traditions/europe-and-north-america/embroideries/opus-teutonicum [abgerufen am 11.5.2023], https://medieval.webcon.net.au/technique_opus_teutonicum.html [abgerufen am 11.5.2023]

[21] Falke, Otto V.: Eine Romanische Altardecke im Kunstgewerbemuseum, Berliner Museen, 42. Jahrg., H. 7./8., (1921), S. 71-76, S. 71

[22] Vgl. ebda.

[23] Vgl. . https://trc-leiden.nl/trc-needles/regional-traditions/europe-and-north-america/embroideries/opus-teutonicum [abgerufen am 11.5.2023], https://medieval.webcon.net.au/technique_opus_teutonicum.html [abgerufen am 11.5.2023]

[24] Falke, Otto V.: a.a.O., S. 75

[25] Vgl. Falke, Otto V.: a.a.O., S. 71; zur Auseinandersetzung um die Datierung vgl. Lambacher , Lothar: Inkunabeln des Opus teutonicum. Die verlorenen romanischen Weißstickereien des Berliner Kunstgewerbemuseums.- In: Altes und Neues – Vom Museum in den Landtag. Festschrift für Volker Schimpff zum sechzigsten Geburtstag, Herausgegeben von Hans-Jürgen Beier und Thomas Weber, Langenweissbach 2014, S. 107–131 (=Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas  76), S. 113 f.

[26]  Lambacher , Lothar: a.a.O., S. 108

[27] Vgl. Lambacher, Lothar: a.a.O., S. 109

[28] Vgl. Stradel, Marianne/Brommer, Ulrike: a.a.O., S. 31

[29] Vgl. https://www.inschriften.net/halberstadt-dom/inschrift/nr/di075-0032.html?tx_hisodat_sources%5Baction%5D=show&tx_hisodat_sources%5Bcontroller%5D=Sources&cHash=073bdf1422fc435a802ca9aea456f2a5 [abgerufen am 9.5.2023)

[30] Seeberg, Stefanie: Women as Markers of Church Decoration: Illustrated Textiles at the Monasteries of Altenberg/Lahn, Rupertsberg and Heiningen (13th-14th C.).- In: Martin, Therese: Reassessing the Roles of Women as ‘Makers’ of Medieval Art and Architecture, Leiden 2012,  S. 357

[31] Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550. Deutsche Inschriften Online: Inschriften [abgerufen am 9.5.2023]

[32] Memminger, Die Kunstdenkmäler des Kreises Soest, Essen 1881, S. 13

[33] Marti, Susan: Geflecht aus Text und Bild – vorläufige Überlegungen zu einer Leinenstickerei aus der Soester Wiesenkirche.- In:  Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Heimatpflege Soest, herausgegeben von Norbert Wex unter Mitarbeit von Dirk Elbert, Gerhard Köhn und Ulrich Löer, Heft 121 (2009) S. 61